Women for Women International
Soforthilfe für die Frauen in Afghanistan
Mit der Soforthilfe kann die Organisation essenzielle Unterstützung für besonders gefährdete und von Konflikt betroffene Kolleginnen und deren Familien in Afghanistan leisten. Nach der Machtübernahme der Taliban unterstützt Women for Women besonders gefährdete Mitarbeiterinnen bei der Evakuierung und hilft Frauen, die in Afghanistan bleiben möchten.
Im Gespräch berichtet Deutschland-Direktorin Caroline Kent, wie sie die Lage in Afghanistan einschätzt und was die Afghanistan-Soforthilfe der Deutschen Postcode Lotterie bewirken kann.
In Afghanistan sind die Taliban seit Mitte August an der Macht. Was bedeutet das für die Frauen vor Ort?
Caroline Kent: Für afghanische Frauen gingen die vergangenen Wochen mit steigenden Unsicherheiten bzgl. der Nahrungsmittelversorgung, Bildung ihrer Kinder, steigender Inflation und einem Anstieg an Gewalt einher. Die wirtschaftliche Krise sowie die prekäre Sicherheitslage im Land erschweren es Frauen zunehmend, sich selbst und ihre Familien zu versorgen.
Für ein Land, das seit Jahren von internationalen Geldern abhängig ist, bedeuten die wirtschaftlichen Sanktionen und Einfrierung von Hilfsgeldern große wirtschaftliche Einbußen. Die Armut im Land spitzt sich zu und mit dem bevorstehenden Winter droht eine humanitäre Krise immensen Ausmaßes, die vor allem Frauen und Kinder mittel- und chancenlos zurücklässt.
Afghanistan ist ein großes Land mit vielen Provinzen. Ist die Situation für die Frauen in allen Landesteilen gleich?
Caroline Kent: Die Taliban sind keine homogene Gruppe und die Situation für Frauen im Land ist derzeit sehr unterschiedlich. In einigen Provinzen, in denen wir arbeiten, konnten wir bereits Pushbacks beobachten, wie bspw. ein Verbot für Frauen, das Haus ohne männlichen Verwandten zu verlassen. In anderen Provinzen hatten die Taliban schon lange eine starke Stellung und insbesondere dort, wo in den letzten Monaten heftig gekämpft wurde, berichten Frauen, dass sie sich seit der Machtübernahme sicherer fühlen. Anderswo gehen die anhaltenden Konflikte mit einer großen Unsicherheit für Frauen einher.
Viele NGOs haben im Zuge der Machtergreifung das Land verlassen. Warum habt ihr euch entschieden, vor Ort zu bleiben?
Caroline Kent: Wir sind bereits seit 2002 in Afghanistan tätig und haben in fünf Provinzen mittlerweile über 127.000 Frauen mit unseren Programmen erreicht. Da wir fest davon überzeugt sind, dass Frauen die Zukunft Afghanistans auch weiterhin mitgestalten können (und sollten!), werden wir alles tun, um auch in Zukunft in Frauen zu investieren und dabei auf ihre Bedürfnisse und Lebenswirklichkeiten eingehen. Hinsichtlich der momentanen humanitären Krisenlage spielt die Exklusion von Frauen am wirtschaftlichen Leben eine entscheidende Rolle: Wenn Frauen das Haus nicht verlassen können, um zu arbeiten, stagniert die Wirtschaftsleistung und Versorgung eines Landes.
Die Deutsche Postcode Lotterie hat Women for Women mit einer Soforthilfe in Höhe von 30.000 Euro unterstützt. Was könnt ihr mit dem Geld bewirken?
Caroline Kent: Mit der großzügigen Unterstützung der Deutschen Postcode Lotterie konnten wir bereits psychosoziale Unterstützung für Kolleg*innen und Frauen in unserem Programm organisieren und Evakuierungsmaßnahmen für besonders gefährdete Kolleg*innen unterstützen. Aufgrund der humanitären Notlage liegt unser Fokus derzeit noch auf einer Versorgung der Grundbedürfnisse, weshalb wir Materialien zur Geflügelhaltung und zum Gemüseanbau beschaffen. Wir sind dabei, Mobiltelefone zu organisieren, damit wir auch besonders isolierte Frauen erreichen können. Wir führend derzeit eine Studie durch, um ein besseres Bild von den Bedürfnissen und Lebensrealitäten marginalisierter Frauen seit der Machtübernahme zu bekommen.
Was bewegt dich bzw. euch persönlich in Bezug auf die Situation der Afghaninnen besonders?
Caroline Kent: In vielen Medienberichten geht die individuelle Perspektive auf die Entwicklungen in Afghanistan verloren, was der kulturellen Vielfalt im Land nicht gerecht wird. Viele der Frauen haben sich ihre Bildung, ihr eigenes Einkommen und ihre Rechte hart erkämpft. Die Taliban können zwar vorschreiben, dass Frauen nicht mehr arbeiten oder zur Schule gehen dürfen, aber sie können keiner Frau ihr Wissen oder ihre Kraft, etwas zu verändern, streitig machen. In dieser Krise wurden Afghanistans Frauen oft eindimensional und als passive Wesen – ohne “Agency” –dargestellt. Damit wird man Frauen und ihrem enormen Potenzial, Veränderungen voranzutreiben, nicht gerecht.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Deutschen Postcode Lotterie haben Women for Women mit 30.000 Euro unterstützt.