Jahr:2020
Fördersumme:104000
Ort:Berlin
Förderbereich:Sozialer Zusammenhalt

Kubin

Denk Mal Am Ort

Erinnerungen an authentischen Orten – Menschen öffnen ihre Haustüren für die Nachkommen der ehemaligen Bewohner*innen ihrer Wohnungen, die während der NS-Zeit verfolgt und getötet wurden. Im Interview erzählt uns Marie Rolshoven vom Verein Kubin e.V. von ihrem Projekt Denkmal am Ort (DMAO), was die Pandemie verändert hat und warum das Thema auch heute noch so wichtig ist.

Denk Mal Am Ort erinnert seit 2016 mit einem einzigartigen Konzept an Menschen, die während der NS-Zeit ausgegrenzt, verfolgt und getötet wurden. Wie gehen Sie diese schwierige Thematik an?

Marie Rolshoven: Das Projekt Denk Mal Am Ort geht zurück auf die Initiative Open Jewish Homes von Denise Citroen aus Amsterdam. Von ihr stammt auch der Satz 'Jedes Haus hat eine Geschichte zu erzählen.' Damit diese Geschichten gehört werden, öffnen Menschen ihre Wohnungstüren. An authentischen Orten, wo verfolgte Menschen gelebt oder gearbeitet haben, lassen ihre Nachfahren und die heutigen Bewohner die Geschichten für alle noch einmal aufleben.

Was macht diese Orte so besonders?

Marie Rolshoven: Nehmen wir als Beispiel meine Wohnung. 2018 wurde ich von der Enkelin einer aus meiner Wohnung deportierten Frau aus Argentinien angeschrieben. Ein Jahr später kam sie nach Berlin, brachte Familienfotos mit und erzählte bei Denk Mal Am Ort ihre Familiengeschichte.

Es war für sie sehr bewegend hierher in diese Wohnung zu kommen, in der ihre Familie bis zur Deportation gelebt hatte. Sie war dankbar, die Geschichte an diesem Ort ihrer Familie mit den Besuchern zu teilen. Es entstanden Freundschaften und im nächsten Jahr möchte sie wiederkommen, dann mit ihrer Tochter.

Bei diesem gemeinsamen Gedenken entsteht an den Orten eine ganz besondere, intime und persönliche Atmosphäre, die Menschen verbindet.

Für diese Einblicke in die Vergangenheit haben sie sich ganz besondere Tage ausgesucht. Was passiert an diesen Aktionstagen?

Marie Rolshoven: Immer an dem Wochenende, nachdem die jeweilige Stadt durch die Alliierten befreit wurde, erinnern engagierte Bürger in Berlin, München, Frankfurt und erstmals auch in Hamburg an die Bewohner von damals. Normalerweise kommen dafür alle Beteiligten zusammen: die Nachfahren der Verfolgten zum Beispiel aus Israel, Südamerika oder den USA und die Menschen, die ihre Wohnungen für die Besucher öffnen. An diesen Wochenenden finden Zeitzeugengespräche, Ausstellungen und Lesungen aus historischen Dokumenten statt.

Zum Abschluss gibt es noch eine Lichtinstallation mit allen Namen – nach solchen Geschichten tut es gut, wieder zusammenzukommen und nicht direkt alleine nach Hause zu gehen.

Jetzt schränkt die Corona-Pandemie persönliche Begegnungen stark ein – wie haben Sie darauf reagiert?

Marie Rolshoven: Für Denk Mal Am Ort haben wir im Corona-Jahr 28 Erinnerungsvideos produziert und an den Gedenk-Wochenenden auf unserem YouTube-Kanal sowie in den sozialen Medien hochgeladen, alle auch mit englischen Untertiteln. Mittlerweile wurden die Kurzfilme über 5.000 mal aufgerufen.

Alle Filme sind an den authentischen Orten entstanden. Es gibt zum Beispiel eine gemeinsame Erinnerung mit Angehörigen aus Israel und den heutigen Bewohnern. Oder den Film mit Rahel Mann, die als Kind im Keller vor den Nazis versteckt wurde. Alle Kurzfilme sind insgesamt sehr bewegende Zeitdokumente.

Wie hat Ihnen die Unterstützung der Deutschen Postcode Lotterie dabei geholfen?

Marie Rolshoven: Die finanzielle Unterstützung hat uns geholfen, dass die Erinnerungen auch in diesem Jahr stattfinden konnten. Eigentlich sollten damit die Reisekosten für Gäste aus dem Ausland beglichen werden, aber wir konnten das Geld schnell und unbürokratisch umwidmen und für die Filmproduktionen nutzen. Das war für uns eine ganz tolle Unterstützung.

Auch in anderen Bereichen hat uns die Deutsche Postcode Lotterie weitergebracht: Von ihr kommt zum Beispiel die Idee für unser Magazin und den Imagefilm. Ich bin wirklich sehr dankbar für diese tolle Beratung.

Warum ist es für Sie heute noch so wichtig, an die Geschehnisse während des Nazi-Regimes zu erinnern?

Marie Rolshoven: Es gibt immer noch Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus in der Welt. Für die Nachkommen der Verfolgten ist es wichtig zu erfahren, dass sich in Deutschland etwas geändert hat und dass sie hier in diesem Land ihrer Vorfahren willkommen sind.

Denk Mal Am Ort ist ein Beitrag für Vielfalt, Toleranz und Demokratie.

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