Yunus + You - The YY Foundation

Der Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus entwickelte in den 70er Jahren ein Bankensystem, das seither den ärmsten Menschen Zugang zu Kleinkrediten ohne Sicherheiten ermöglicht. Für sein Engagement wurde er 2006 mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Seit 2012 ist er internationaler Botschafter der Postcode Lotterien. Im Interview spricht er über die globalen Herausforderungen, das Prinzip des guten Zwecks und seine Motivation, die Postcode Lotterie zu unterstützen.

Was sind die drängendsten Probleme unserer Zeit?
Muhammad Yunus: Die Herausforderungen sind vielschichtig: Armut und Bildungsarmut, Arbeitslosigkeit sowie die Verschlechterung der psychischen Gesundheit insbesondere bei sozial benachteiligten jungen Menschen. Hinzu kommt die besorgniserregende Entwicklung, dass die Kluft zwischen den Menschen, die das Vermögen besitzen, und jenen, die in Armut leben, immer größer wird. Diese Zahlen sind doch alarmierend: 99 Prozent der Weltbevölkerung besitzt nur ein Prozent des weltweiten Vermögens. Jede Sekunde geht die Schere ein Stück weiter auseinander. Diese gefährliche Entwicklung wird durch unser bestehendes Finanzsystem befeuert. Vielen Menschen steht es für Finanzierungen, selbst in überschaubarem Rahmen, nicht zur Verfügung. Das ist der Kampf, den ich seit 1976 und bis heute führe.

Sie sprechen es an. Seit über 40 Jahren setzen Sie sich dafür ein, die Missstände auf der Welt zu verändern. Woher kommt dieser Antrieb und ihre Motivation?
Muhammad Yunus: Ich bin in Bangladesch geboren. Armut ist dort ein prägender und steter Begleiter im Alltag. Als ich im Jahr 1976 sah, wie Korbflechterinnen eines Dorfes trotz ihrer außerordentlichen Fertigkeiten ein Leben in hoher Bedürftigkeit führten, spürte ich, dass ich etwas ändern musste. Ich lieh einer Gruppe von Frauen 27 Dollar und irgendwann konnten sie mir nicht nur das Geld zurückzahlen, sie hatten sogar erstmals einen kleinen Gewinn eingefahren. Und da wurde mir klar, dass ich armen Menschen mit der Vergabe von Kleinstkrediten helfen konnte, sich aus eigener Kraft Schritt für Schritt aus der Armut zu befreien. Sieben Jahre später gründete ich die Grameen Bank. Das Prinzip dieser Bank setzt auf die Vergabe von Kleinstkrediten und entwickelte sich in der Folge zu einem weitreichenden Vorbild mit einem Netzwerk in rund 100 Ländern. Das Wunderbare daran: Mittlerweile konnte Millionen von Menschen geholfen werden, der Armut durch eine – wenn auch kleine – wirtschaftliche Unterstützung zu entfliehen.

Sie sind 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden und haben die Yunus + You – The YY Foundation gegründet. Was ist das Ziel dieser Stiftung?
Muhammad Yunus: Wir beschäftigen uns seit Jahren mit einer Vielzahl von Herausforderungen: Ganz gleich, ob es um die wachsende globale Armut geht, die Klimakrise oder um Arbeitslosigkeit – immer mehr Menschen sind weltweit von diesen Entwicklungen betroffen. Mit Begeisterung beobachte ich, wie insbesondere junge Menschen bei ihren Bemühungen Entschlossenheit, Anpassungsfähigkeit und ein hohes Maß an Kompetenz beweisen, um diesen Herausforderungen mit kreativen Lösungen zu begegnen. Dies gilt es zu unterstützen. Als Stiftung ist unser ganzheitlicher Ansatz, soziales Unternehmertum durch Bildungsmaßnahmen und -formate zu fördern. Der Aufbau digitaler Netzwerke und Plattformen sowie der Förderung von Sozialunternehmer*innen trägt zu nachhaltiger Entwicklung und Integration bei. Und das ist der Startschuss für einen echten Wandel.

Warum engagieren Sie sich schon so lange als internationaler Botschafter der Postcode Lottery Group?
Muhammad Yunus: Das Prinzip des guten Zwecks ist wunderbar. Es hilft Menschen, die wirklich leiden und sich ein besseres Leben wünschen. Aber ein Manko ist, dass Sie jedes Mal, wenn Sie helfen, einen neuen Geldbetrag benötigen. Und da kommt die Einzigartigkeit des Konzepts der Postcode Lotterie ins Spiel. Wenn man Wohltätigkeit in ein soziales Unternehmen umwandelt und mutige Initiativen und Menschen fördert, dann wird Geld für gute Zwecke dauerhaft und nachhaltig generiert. Das ist die Kraft der Sozialunternehmer*innen. Daher freue ich mich sehr, die Postcode Lotterien als internationaler Botschafter zu unterstützen. Denn nur zusammen können wir die Welt zu einem besseren Ort für Mensch und Natur machen.

Die Deutsche Postcode Lotterie unterstützt Sie bzw. Ihre Stiftung mit einem Förderscheck in Höhe von 200.000 Euro. Was können Sie mit dem Geld bewirken?
Muhammad Yunus: Sehr viel. Ich möchte an dieser Stelle herzlich sowohl dem Beirat der Deutschen Postcode Lotterie als auch ihren Teilnehmer*innen danken, ohne die dieses finanzielle Engagement nicht möglich gewesen wäre. Und ihre Unterstützung ist wichtiger denn je: Neben den weitreichenden Auswirkungen der zunehmenden Armut und der Klimakrise möchten wir mit dem von der Postcode Lotterie geförderten Projekt einen neuen Weg in eine nachhaltigere Zukunft gehen. Mit Ausbildungsmöglichkeiten in Sozialunternehmen im globalen Süden sowie interaktiven Online-Bildungsprogrammen sollen junge Menschen gestärkt, gefördert und gebildet werden, sodass sie ihre eigenen Ideen entwickeln sowie Fähigkeiten für soziales Unternehmertum erwerben, um neue Perspektiven für Gesellschaft und Wirtschaft zu bieten.

Jugendliche weltweit sollen die Chance erhalten, sich in sogenannten „3Zero Clubs“, einer von mir gegründeten, globalen Bildungs-Initiative für Zwölf bis 35-Jährige, zu engagieren, um innovative Lösungen in ihren Interessensgebieten zu entwickeln. Und um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen und diese zu bewältigen – sei es Umweltverschmutzung, Armutsbekämpfung oder der fehlende Zugang zu Bildung.

Zusätzlich möchten wir das Yunus Social Business Center Netzwerk, einen interdisziplinären Zusammenschluss aus 98 Universitäten in 38 Ländern, welche Forschung, Lehre und Wissensmanagement im Bereich „Soziales Unternehmertum“ betreiben, einbinden und durch Workshop-Serien jungen Menschen zusätzliche digitale Bildung sowie aktuellen Wissensaustausch ermöglichen. Wir glauben fest daran, dass wir alle zusammen eine echte Chance für Veränderung haben.

Dank des Engagements der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Hessen kann dieses wunderbare Projekt mit 200.000 Euro gefördert werden.